Bestätigter Oberbürgermeister Silvio Witt leistet Amtseid, CDUAfDLinke drücken Änderung der Hauptsatzung durch

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v.l.: Oberbürgermeister Silvio Witt mit seinem Stellvertreter, Peter Modemann

In der heutigen Sitzung der Stadtvertretung Neubrandenburg wurde der Einspruch gegen die Oberbürgermeisterwahl zurückgewiesen und somit der Weg frei gemacht für Silvio Witts zweite Amtszeit.

Darüber hinaus konnten Bündnisgrüne, SPD und Linke durchsetzen, dass jährlich zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (17. Mai) vor dem Rathaus die Regenbogenflagge gehisst wird.

Die mittlerweile gewohnte Allianz aus CDU, AfD und Linken setzte dagegen eine Änderung der Hauptsatzung durch, um künftig eine/n zweite/n Beigeordnete/n wählen zu können.
Fraktionsvorsitzender Michael Stieber: "Der Antrag und der Beschlussvorgang selber sind gespickt mit handwerklichen Fehlern, die ganz sicher dafür sorgen werden, dass wir uns demnächst noch einmal mit der Angelegenheit beschäftigen dürfen. Am traurigsten war allerdings die Einbringungsrede mit haltlosen und kryptischen Unterstellungen bezüglich des Betriebsklimas in der Verwaltung. Ich rege an, dass sich die Belegschaft des Rathauses mit dem Wort-Protokoll der gesamten Debatte auseinandersetzt, damit sie erfährt, welches Bild einzelne Stadtvertreter öffentlich von ihrer Arbeitsatmosphäre zeichnen. Die Fraktion der SPD distanziert sich von den Worten des Stadtpräsidenten und weist sie strikt zurück!"

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v.l.: Ina Paulitschke, Bernd Lange, Silvio Witt, Jörg Albrecht, Michael Stieber, Roman Oppermann, Lars Donner, Morris Krüger

Die Rede zum Antrag des Stadtpräsidenten vom Fraktionsvorsitzenden Michael Stieber im Wortlaut:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Ratsfrauen und Ratsherren,

als Vertreter der SPD-Fraktion muss ich feststellen, dass wir nach wie vor überrascht sind, dass der Stadtpräsident aus seiner Funktion heraus diese Beschlussvorlage einbringt. Also auch in unserem Namen. Aber weder hat er dies mit den Fraktionen abgesprochen, noch kannte das Präsidium den Inhalt der Vorlage, als sie am 19. April auf die TO der heutigen Sitzung gesetzt wurde.
Das ist so nicht akzeptabel, aber vielleicht kein ausreichender Grund, um sie abzulehnen.

Ablehnen wollen wir aus rein sachlichen Gründen.

Erstens gibt es finanzielle Gründe.
Wir sind formal immer noch in einer Konsolidierungsphase. Der Schuldenberg ist zwar abgebaut, aber deshalb sind wir noch lange nicht reich! Abgesehen davon sind wir gerade Zeitzeugen zweier, übereinander gelagerter, weltweiten Krisen. Jeder und jedem sollte klar sein, dass nicht vorhersehbar ist, welche tatsächlichen, spürbaren Folgen und finanziellen Belastungen hier noch auf uns zukommen werden. Deshalb spielt es für uns auch keine Rolle, ob die finanziellen Folgen des Beschlusses in der Vorlage korrekt dargestellt sind oder nicht.

Wir wollen diese zusätzlichen Ausgaben nicht und lehnen schon allein aus diesem Grund ab!

Womit wir – Zweitens – allerdings doch noch zur Vorlage kommen.
Die „Finanziellen Auswirkungen“ sind zunächst falsch dargestellt gewesen. Dies soll nun durch die vorgetragenen Änderungen geheilt werden. Allerdings ist die Änderung derart knapp gehalten, dass auch die jetzt gewählte Formulierung keinerlei finanzielle Konsequenzen aufzeigt – wirklich nicht. Ein Hinweis, dass irgendwo Geld eingestellt werden soll, sorgt jedenfalls nicht für die Klarheit, die die Stadtvertretung in die Lage versetzt, sich mit den tatsächlichen finanziellen Auswirkungen intensiv auseinanderzusetzen.
Die Formulierung erweckt sogar den Eindruck, dass sich noch nicht mal der Antragsteller gründlich mit den finanziellen Auswirkungen beschäftigt hat. Obwohl – ich habe es erwähnt – hierfür nach Beendigung der Konsolidierungsphase erheblicher Anlass besteht.

Die Ausführungen hier müssen mindestens stutzig machen – und sind möglicherweise sogar rechtswidrig.

Was – Drittens – auch nicht geheilt wurde, ist der Änderungstext.
Denn nach wie vor soll der Passus zur Aufwandsentschädigung ehrenamtlicher Stellvertreter des OB stehen bleiben. Diese ehrenamtliche Stellvertreterin gibt es dann aber nicht mehr, kann es nicht geben und darf es nicht geben. Spätestens mit der Wahl einer/eines zweiten Beigeordneten wäre nämlich die derzeitige zweite Stellvertreterin des Oberbürgermeisters, Frau Sabine Renger, aus ihrem Stellvertreteramt nach § 40 Abs. 1 KomVerf MV abzuberufen. Spätestens – aber eigentlich und grundsätzlich sofort mit Inkrafttreten der geänderten Hauptsatzung (jetzt 1.1.2023), da es diese Stelle dann nicht mehr gibt.

An dieser Stelle ist die Beschlussvorlage mindestens handwerklich schlecht gemacht.

Was – Viertens – den Fokus auf die jetzige 2. Stellvertreterin des OB lenkt.
Frau Renger ist einstimmig von der Stadtvertretung für eine gesamte Wahlperiode gewählt worden. Diese endet mit der nächsten Kommunalwahl Mitte 2024. Es gab mal eine Verabredung, eine Änderung der Hauptsatzung bezüglich einer/eines zweiten Beigeordneten erst nach dieser Wahlperiode anzugehen.
Dass man jetzt so überstürzt handelt, wirft viele Fragen auf, auf die ich gar nicht groß eingehen will. Was aber erwähnt werden muss, ist eben die Tatsache, dass die Änderung der Hauptsatzung wie beantragt gleichzeitig die öffentliche Degradierung einer bestimmten Person bedeutet. Vor dem Hintergrund, dass diese Person von allen damals anwesenden Mitgliedern der Stadtvertretung in das Amt gewählt wurde, und sich seither keines Fehlverhalten schuldig gemacht hat, ist es schon verwunderlich, warum der Antragsteller jetzt so Hals über Kopf ihre vorzeitige Absetzung vorantreibt.

Als Fraktion, die zu ihrem Wahlverhalten von 2019 steht, müssen wir – wenn wir die gewählte Stellvertreterin des OB vor dieser öffentlichen Demütigung schützen wollen – diese Vorlage ablehnen.

Was wir auch tun werden.